Über Integration sowie die Einkommens- und Lebenssituation von Familien diskutierte am 7. April der SPD-Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz mit Vertretern des CVJM Oberbarmen. Der prominente Politiker war auf Initiative der Wuppertaler Sozialdemokraten zu einem zweistündigen Besuch in die Sonntagstraße gekommen, um sich vor Ort ein Bild von der Kinder- und Jugendarbeit eines freien Trägers wie dem CVJM zu machen. Das Gespräch fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, erst später hatten Journalisten Gelegenheit, den SPD-Politiker zu interviewen.
Dazwischen jedoch spielte Martin Schulz Fußball mit Kindern aus dem Offenen Ganztag, den der CVJM Oberbarmen in Kooperation mit der katholischen Grundschule Wichlinghauser Straße anbietet.
Uns hat die Ankündigung Ihres Besuchs getroffen „wie ein Blitz“, sagte Geschäftsführer Bernd Schäckermann zu Anfang der Gesprächsrunde. „Es ist eine große Ehre für uns, und wir möchten gern mit Ihnen diskutieren, wie sich Politik, die in Berlin gemacht wird, auf die Menschen in unserem Stadtteil auswirken“, erklärte er weiter.
Vom CVJM-Team angesprochen wurde beispielsweise das Problem, dass manche Familien, in denen beide Elternteile arbeiten, weniger Geld zur Verfügung haben als Familien, die komplett von staatlicher Unterstützung leben. Diese Frage setze eine ideologisch hoch aufgeladene Diskussion in Gang, befand der Kanzlerkandidat der SPD. Ziel der Politik müsse es sein, dass Menschen Einkommen erzielten, von denen sie leben könnten. Für ihn sei es eine bittere Erkenntnis, dass es trotz gigantischer Unternehmensgewinne teilweise Reallohnverluste auf Seiten der Beschäftigen gebe. „Wir brauchen Tarifbindung“, forderte er. „Das ist keine Gewerkschaftsparole, sondern Unternehmen müssen daran gehindert werden, aus der Tarifbindung zu fliehen.“ Der Mindestlohn sei dabei auch nur ein erster Schritt.
Die problematische Haushaltslage vieler Kommunen in Nordrhein-Westfalen war ein weiteres Thema, das auch Wuppertal betrifft. Das Jugendamt würde gern mehr Hilfen für Kinder und ihre Familien gewähren, habe jedoch nicht genug Geld zur Verfügung, schilderten CVJM-Vertreter die Situation. „Bei diesem Thema stoßen Sie bei mir nicht nur auf offene Ohren, sondern auf einen Willen“, sagte Martin Schulz. Er versicherte, die Schulsozialarbeit ausbauen zu wollen. Der Bund müsse den Ländern mehr Geld zur Verfügung stellen, damit diese die Städte bei dieser wichtigen Aufgabe nicht allein ließen. „Vor allem geht es mir um eine Entlastung der Lehrerinnen und Lehrer“, ergänzte Schulz, der bei der Bundestagswahl im September gegen die amtierende Kanzlerin Angela Merkel antritt.
Lob gab es von Schulz für die rot-grüne Landesregierung, die mit ihrem Stärkungspaket für die Kommunen Enormes gleistet habe. „Das reicht noch nicht, aber es geht in die richtige Richtung.“ Ein Appell vor allem in Richtung der beiden SPD-Landtagsabgeordneten Dietmar Bell und Josef Neumann, die den Chef der Bundes-SPD begleiteten, ebenso wie Bundestagskandidat Helge Lindh, der Wuppertaler SDP-Vorsitzende Heiner Fragemann und sein Stellvertreter Dr. Stefan Kühn.
Als „Gastarbeiter“ der zweiten Generation, die in Wuppertal geboren und aufgewachsen sind, stellten sich der CVJM-Vorsitzende Salvatore Giancani und Samar Arar-Al-Refaei, Leiterin der Sprachfördergruppen im CVJM Oberbarmen, dem Gast aus Berlin vor.
Das Thema Integration wurde jedoch vor allem deshalb diskutiert, weil in Oberbarmen viele Migranten leben, die hauptsächlich aus europäischen Staaten nach Deutschland zugewandert sind. Sie zu fördern, sei eine wichtige Aufgabe von Institutionen und Vereinen in den Stadtteilen und dürfe nicht primär in zeitlich begrenzten Projekten geschehen, betonten CVJM-Vertreter. Hier stimmte Martin Schulz zu, der von 2012 bis zum Januar 2017 Vorsitzender des Europäischen Parlamentes war: „Zur EU-Förderung kann ich sagen, und ich habe das gegenüber der EU-Kommission immer kritisiert, dass das eine Appetithäppchen-Politik ist. Mit einer Förderung bestimmter Projekte über ein paar Jahre macht man den Menschen Appetit. Und wenn es schmeckt, wird gesagt, jetzt gibt es nichts mehr, es ist alle.“ Der SPD-Spitzenpolitiker sieht eine Voraussetzung für Integration darin, dass der Wille vorhanden ist: „Die Gesellschaft muss offen sein und die Menschen müssen sich integrieren wollen.“
Das Medieninteresse am Besuch von Martin Schulz im CVJM Oberbarmen war groß. Es berichteten unter anderem die Westdeutsche Zeitung und die Wuppertaler Rundschau.