Seit dem neuen Kindergartenjahr gilt in den CVJM-Kitas in Oberbarmen eine Verfassung. Sie stärkt die Rechte der Kinder und regelt die Mitbestimmung sowie Parlamentssitzungen. Vier Fragen dazu an die leitenden Mitarbeiterinnen:

In den CVJM-Kitas gilt seit dem neuen Kita-Jahr eine Verfassung. Was steht drin?

Susan Langer: Die Verfassung der Kita beschreibt, wie die Rechte und die Partizipation der Kinder in den CVJM Kitas gesichert und gefördert werden. Kinder werden als vollwertige Mitglieder anerkannt und sollen in Entscheidungen, die sie betreffen, einbezogen werden. Sie haben Rechte auf Respekt, Sicherheit, Bildung, Meinungsäußerung und Privatsphäre. Die Kinder dürfen unter anderem bei der Gestaltung des Tagesablaufs, der Raumgestaltung, der Essenswahl und der Hygiene mitbestimmen. Entscheidungsprozesse werden durch Kindersitzungen und Parlamente unterstützt. Die Verfassung wird jährlich überprüft und regelmäßig kommuniziert.

Warum ist es wichtig, Kinder bereits im Kita-Alter so umfassend in Entscheidungen miteinzubeziehen?

Susan Langer: Es ist wichtig, Kinder bereits im Kita-Alter in Entscheidungen miteinzubeziehen, weil dies sowohl ihre persönliche Entwicklung als auch ihr soziales Miteinander auf positive Weise fördert. Hier sind einige zentrale Gründe:

  1. Förderung der Selbstständigkeit: Wenn Kinder die Möglichkeit haben, Entscheidungen zu treffen, entwickeln sie ein stärkeres Gefühl für Unabhängigkeit und Verantwortung. Dies stärkt ihr Selbstbewusstsein und gibt ihnen das Vertrauen, in Zukunft selbstständig zu handeln.
  2. Stärkung des Selbstwertgefühls: Kinder, deren Meinungen und Wünsche ernst genommen werden, fühlen sich respektiert und wertgeschätzt. Dies trägt dazu bei, dass sie ein positives Selbstbild entwickeln und sich als gleichwertige Mitglieder der Gruppe wahrnehmen.
  3. Förderung sozialer Kompetenzen: Indem Kinder lernen, gemeinsam mit anderen Entscheidungen zu treffen, entwickeln sie wichtige soziale Fähigkeiten wie Kompromissbereitschaft, Empathie und die Fähigkeit, die Perspektiven anderer zu verstehen.
  4. Frühe Demokratieerfahrung: Kinder, die in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, erleben früh, wie demokratische Prinzipien funktionieren. Sie lernen, dass ihre Stimme zählt, aber auch, dass sie die Meinungen anderer respektieren müssen. Dies fördert das Verständnis für demokratische Werte wie Teilhabe, Gerechtigkeit und Zusammenarbeit.
  5. Entwicklung kritischen Denkens: Entscheidungen zu treffen bedeutet oft, verschiedene Optionen abzuwägen und mögliche Konsequenzen zu bedenken. Dies fördert die Fähigkeit zum kritischen Denken und zur Problemlösung, die für das spätere Leben von entscheidender Bedeutung sind.
  6. Förderung emotionaler Entwicklung: Kinder lernen, mit den Gefühlen umzugehen, die mit Entscheidungen verbunden sind, wie etwa Frustration, wenn sie sich an Regeln oder Gruppenentscheidungen halten müssen, oder Freude, wenn sie ihre Ziele erreichen. Dadurch werden sie emotional reifer und können besser mit eigenen und fremden Emotionen umgehen.

Insgesamt unterstützt die Einbeziehung von Kindern in Entscheidungsprozesse die ganzheitliche Entwicklung ihrer Persönlichkeit und bereitet sie auf zukünftige Herausforderungen in Schule, Beruf und Leben vor.

Wie sieht die Partizipation der Kinder im Alltag aus? Hat beispielsweise schon ein Kinderparlament getagt?

Susan Langer: Die Partizipation in unseren Kitas zeigt sich im Alltag dadurch, dass Kinder aktiv in Entscheidungen einbezogen werden, die ihren Tagesablauf betreffen. Sie dürfen

  • im Morgenkreis wählen, in welchem Raum sie spielen möchten, mit wem sie spielen und wie lange,
  • an der Raumgestaltung mitwirken, z.B. bei der Auswahl von Dekoration oder Spielzeug,
  • bei der inhaltlichen Planung von Projekten und Aktivitäten ihre Ideen einbringen und entscheiden, ob sie teilnehmen wollen,
  • über Mahlzeiten mitbestimmen und selbst entscheiden, was sie essen,
  • selbst entscheiden, von wem sie gewickelt werden wollen oder wer sie zur Toilette begleitet,
  • ihre Ruhezeiten individuell gestalten und entscheiden, ob sie schlafen möchten,
  • Angebote und Projekte mitgestalten und Ideen und Wünsche äußern, dies gilt insbesondere für die Vorschulkinder.

Zusätzlich haben die Kinder die Möglichkeit, im Kinderparlament Beschwerden, Wünsche oder Verbesserungen zu äußern. Ihr Mitspracherecht fördert so ihre Selbstständigkeit und Verantwortung im Kita-Alltag. Ein erstes Kinderparlament in diesem Kita-Jahr ist bis Anfang Oktober geplant.

Wie haben die Eltern darauf reagiert, dass es eine Verfassung gibt, die die Rechte ihrer Kinder stärkt?

Ann-Kathrin Krefting: Die Eltern unterstützen das Mitspracherecht ihres Kindes in den oben genannten Bereichen. Sie wollten wissen, wie das Kinderparlament gewählt wird und inwiefern jedes Kind dort berücksichtigt wird. Insbesondere wurde nach den Abstimmungsprozessen gefragt und wie diese gestaltet werden, sodass nicht die gewählten Kinder im Kinderparlament wichtige Entscheidungen alleine treffen.

Das nachfolgende Plakat hängt in beiden Kindertagesstätten und zeigt den Kindern, welche Entscheidungen sie allein oder zusammen mit den Erzieher*innen treffen können. Nur über die Tagesstruktur in der Kita und manchmal beim Thema Schlafen entscheiden die Erwachsenen allein. Wer die Verfassung nachlesen möchte, kann sie hier herunterladen.